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Annja Krautgasser en


Kriegsszenen


A 2020 | 23 min | HD 16:9 | Farbe | DCP 5.1


Das Feld des Realen bestellen


Zu Annja Krautgassers KRIEGSSZENEN
von Alejandro Bachmann

„Geglaubt wird nur, was gesehen wird.“
Michel de Certeau: Kunst des Handelns


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© Videostill Kriegsszenen


Die Totale einer Landschaft, ein paar Baumgruppen im Hintergrund, fast unkenntlich ein flaches Gebäude nahe des Horizonts am Rande eines leeren Feldes. Kurzes, trockenes Gras bedeckt die Fläche, in der Nähe unserer Blickposition scheint es angesengt, zertreten, drückt sich braune Erde durch seine Überreste in die Sichtbarkeit. Hier ist was, im Bild – nicht viel, vor allem mal ein „open space“, der gefüllt werden will. Und hier war was, im Bild und ist nun „off space“. Die folgenden Einstellungen spinnen dieses Spiel aus Feldern & Markierungen, Gegenwart & Vergangenheit, Sichtbarkeit & Unsichtbarkeit weiter. Wir sehen Absperrgitter – und Bänder, eine Tribüne, ein Stück Wald, bereits eingeteilt in Territorien: Innen und Außen des Bildes und der Landschaft. Dieses langsame Auffalten der Landschaft durch den Film setzt sich fort – unser Blick gleitet in einer langen Fahrt vorbei an den in Reih und Glied geparkten Fahrzeugen aus dem II. Weltkrieg. Gerade tauchen wir in diese Zeit ein, als ein modernes Auto nah an der Kamera vorbeifährt und den Realitätseindruck erneut zerstört. Nie ist das Bild fertig, stets könnte die Realität eine andere sein. Sie lauert außerhalb des Bildes, ist die Rahmung des Sichtbaren und kommt in der Inszenierung des Films immer wieder auch selbst zur Sichtbarkeit.

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© Videostill Kriegsszenen

Wenn nach und nach die Männer und Frauen auftauchen – Besitzer*innen militärhistorischer Waffen, Mitglieder militärhistorischer Clubs –, um in detailverliebter Kriegsverkleidung, mit Panzern, Jeeps, Feldzelten, Gewehren und ausgehobenen Gräben eine historische Schlacht der Roten Armee gegen die Wehmacht zu re-inszenieren, fallen der Gegenstand im Bild und die Verwendung der Bilder erneut ineinander: Das jährliche Herstellen dieses Kriegsschauplatzes ist der Versuch, mit maximalem inszenatorischem Aufwand eine möglichst real anmutende Kriegsszenerie auf das leere Feld zu zaubern. Annja Krautgassers Film dokumentiert dieses reale Event und inszeniert es seinerseits: Das Arsenal an Waffen trifft auf ein Arsenal filmischer Mittel, Bild-Tropen, die uns aus Kriegsfilmen vertraut sind: Die Distanz der Kamera zum Geschehen; das Teleobjektiv, das Gelände und Material zusammenstaucht; Schnitt/Gegenschnitt, der die Konfliktparteien aufeinander zusteuern lässt; der Schwenk mit den Jagdflugzeugen; der hektische Zoom auf einzelne Momente. Das Feld wie die Leinwand (auf die eine frühe Einstellung eines im Wind wehenden Tuchs im Film verweist) müssen erst mit Realitätsmarkern des Krieges (Panzern und Uniformen, aber auch Schwenks und Zooms) befüllt werden.

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© Videostill Kriegsszenen

Krautgasser intensiviert – in einer paradoxen Schleife – den Realitätseindruck dieser Inszenierung und macht gleichsam ihre Künstlichkeit sichtbar: Als Bewegungen des Ausschließens und Hervorhebens bestimmter Aspekte von Realität, die, je nach Gestaltung, eine friedliche Landschaft oder eben ein Schlachtfeld, 1944 oder eben die Gegenwart hervorbringen. Diese Einsicht birgt das Potenzial, die Realität dieser Re-Inszenierung zu ergänzen: Mittels performativer Interventionen – Krautgasser positioniert sich als Leiche im Schützengraben, als Späherin auf einem Panzer, als Gefallene am Bildrand, als Zuschauerin auf einer Tribüne – greift sie in das Herstellen dieser (Kriegs-) Realität ein, poetische Gesten, die den Krieg und seine Bilder zueinander stellen. Der Tod, die Opfer, kämpfende Frauen – all das fehlt in diesem Bild des Krieges und findet so seinen Weg in den Film. Die Schauanordnung Film übersetzt und ergänzt das eigentlich für die Schauanordnung vor Ort inszenierte Spektakel.

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© Videostill Kriegsszenen

Wenn die Filmemacherin am Ende auf der Tribüne sitzen bleibt, während alle anderen Zuschauer*innen das nun wieder leere Feld betreten, um die Patronenhülsen einzusammeln, steckt darin das grundlegende Paradox des Films, der Grund für das unheimliche Gefühl, das er hinterlässt: Das im Film dokumentierte, inszenierte und reflektierte Ritual des Erinnerns ist immer mehr als nur das Erzeugen von Bildern des Krieges (obwohl der Film gerade betont, dass es vor allem Bilder sind), es ist – in dieser Form – auch das Herstellen des Krieges, der seine physischen Spuren in der Landschaft hinterlässt, bis das Feld erneut bestellt werden kann, weil das Bild wieder leer ist.


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© Videostill Kriegsszenen
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Raumtriade


Petra Buchegger
Silke Maier-Gamauf / Romana Hagyo
Annja Krautgasser

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Berufsvereinigung bildender Künstlerinnen
und Künstler Vorarlbergs
Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis
Bregenz
14.03.-19.4.2020
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© Ausstellungsansicht Raum B, Foto: AK

Der Raum als hier und jetzt.

Der Fokus der künstlerischen Auseinandersetzung im Ausstellungsprojekt liegt bei Beobachtungen zu sozialem Raum. Die drei künstlerischen Positionen fokussieren die Aspekte der Begegnung und Aneignung sowie gesellschaftspolitische Beobachtungen. Die Herstellung sozialer Räume geht immer im Kontext gesellschaftlicher Machtstrukturen und Regeln prozessual vor sich. Ein wichtiger Aspekt des Projekts Raumtriade ist die Frage nach der eigenen Positionierung in unserer heutigen Gesellschaft und nach ihren kulturellen und politischen Rahmenbedingungen. Oft haben die Antworten auf diese Frage mit Selbst- und Fremdbestimmung zu tun. Und damit verbunden auch, in welcher Weise wir uns von gesellschaftspolitischen und räumlichen Strukturen beeinflussen lassen bzw. an deren Herstellung beteiligt sind.

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© Ausstellungsansicht Raum C, Foto: AK

In den künstlerischen Positionen von Petra Buchegger, Silke Maier-Gamauf / Romana Hagyo und Annja Krautgasser geht es um subjektive Annäherungen an gesellschaftliche Raumvorstellungen. Der Raum fungiert als Ort der Auseinandersetzung um Wahrnehmung, Konfrontation und Orientierung. Dies gilt sowohl für den geschlechtlich codierten Raum bei Silke Maier-Gamauf / Romana Hagyo als auch für den Ort der Subsidiarität in den Arbeiten von Petra Buchegger. Auch der sozioökologische Raum, in dem versucht wird die gesellschaftliche Relevanz von Innen- und Außenraum zu thematisieren, in den Arbeiten Annja Krautgassers, zeugt von einer Herangehensweise, in der verborgene Räume aufgespürt und aufgezeigt werden sollen.

Aus den Zugängen der Künstlerinnen ergibt sich eine spannende Mischung verschiedener Formate, Praxen und Resultate (Partizipation, Dokumentation und Inszenierung). In allen drei Positionen schwingen gesellschaftspolitische Haltungen mit, die kulturelle Vielfalt, Solidarität und Fairness priorisieren.

Ausstellungsfolder

Raumpläne


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Raum A


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© Ausstellungsansicht Raum A, Foto: AK

Raum B


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© Ausstellungsansicht Raum B, Foto: AK

Raum C


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© Ausstellungsansicht Raum C, Foto: AK


Wurzeln unterm Dach und Lärm im Keller


VN | 23.03.2020
von Ariana Grabher

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© VN

Der Anblick und das Gegenüber des Originals ist eigentlich durch nichts zu ersetzen. Wenn das in Zeiten, in denen man besser daheim bleibt, aber nicht geht, kann man zumindest virtuell in die Kunst eintauchen – ein Ausstellungsrundgang, der mittlereweile auch vom Sofa aus erlebbar ist. Drei neue Ausstellungen gibt es derzeit im Bregenzer Künstlerhaus.

In Anlehnung an die „Raumtriade“ des französischen Soziologen und Philosophen Henri Lefebvre greifen Anja Krautgasser und die seit 2014 kollaborierenden Silke Maier-Gamauf und Romana Hagyo die Dreiteilung auf. Mit einbezogen in die drei Kapitel sind auch Arbeiten ihrer 2017 verstorbenen Künstlerkollegin Petra Buchegger – als Reminiszenz an eine Ausstellung von 2013 in gleicher Konstellation im Künstlerhaus einerseits. Und weil sie andererseits perfekt ins Konzept der subjektiven Annäherungen an gesellschaftliche Raumvorstellungen passen. Das einfache Tun einer einfachen Frau in Kittelschürze in einem Gewächshaus hat Petra Buchegger nicht nur in einem Video festgehalten und ihr damit besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das Gewächshaus wird im Ausstellungskontext zur Skulptur, an der bunte Textilstreifen im Ventilator-Wind flattern. Die Streifen sind Reste von Kittelschürzen, mit denen die feministische Künstlerin bevorzugt gearbeitet hat. Der Hauptakzent von Annja Krautgassers Schaffen liegt auf filmisch-performativen Arbeiten. Ihr Wandplot „Begegnung mit dem Krieg“ mit Panzer und Künstlerin im politischen Raum bezieht sich unmittelbar auf ihren jüngsten Film „Kriegsszenen“, der ein surreal und gespenstisch anmutendes Festival in der Slowakei zum Thema hat. Alljährlich wird dort eine Schlacht von 1944, bei der die deutsche Wehrmacht von der Roten Armee von der Ostfront zurückgedrängt wurde, „nachgespielt“. Krautgasser hinterfragt, was die Menschen (unter ihnen ganze Familien und zahlreiche Deutsche und Österreicher) dazu treibt, in der heutigen Zeit mit so viel Begeisterung Krieg zu spielen.

Im Spannungsfeld von Körper, Kleidung, Inszenierung und öffentlichem Raum ist die fotografisch dokumentierte Performance „Abrieb und Lagenlook“ des Duos Silke Maier-Gamauf und Romana Hagyo angesiedelt. In wechselnden Rollen vor und hinter der Kamera schlüpfen die Künstlerinnen mitten auf dem Gehsteig in kurzentschlossenen Mini-Performances, die die Öffentlichkeit mit einbeziehen, in dehnbare blaue und weiße Textilschläuche, in denen ihre Körper zu unförmigen Formen werden. Damit torpediert das Duo auch auf witzig-ironische Weise Geschlechter-, Rollen- und Körperzuschreibungen. Die Bilder erinnern zuweilen an Erwin Wurms Kunst einen Pullover anzuziehen, finden aber vor einem völlig anderen gedanklich-philosophischen Hintergrund statt.


Ausstellungsfolder



Raumtriade


Künstlerhaus Bregenz
Ausstellungsansichten: @ Florian Raidt:

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Ausstellungsansichten: Rollenszenen

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Ausstellungsansichten: Waldszenen

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Ausstellungsansichten: Begegnungen mit dem Krieg

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Ausstellungsansichten: Kriegsszenen

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Ausstellungsansichten: Glock and others


Videorundgang Künstlerhaus Bregenz © by Harald Schwarz:

Raum A


Raum B


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