Notice: Undefined offset: 1 in /home/vservers/nja.at/annjakrautgasser.net/adincludes/funktionen/getBrowser.php on line 69
Annja Krautgasser de


IP-III


3- bzw. 4-Kanal-Projektion, 6 x 6 m, 2003
Soundkomposition: Echelon aka Dieter Kovacic
In Zusammenarbeit mit Rainer Mandl, Sepp Deinhofer und Michael Aschauer

embedded image
© Ausstellungsansicht Chrono-Files, Lothringerhalle 13, München, 2003


Transgressive Architekturen



Die netzbasierte Medieninstallation IP-III fokussiert die grundlegende Erweiterung räumlicher und geografischer Konzepte durch die Ausbreitung des Internets im späten 20. Jahrhundert. Als Entwurf einer Annäherung an das Innenleben elektronischer Landschaften eröffnet IP-III den Blick auf die Topologie des Internets als algorithmisch aufgebaute und dynamisch strukturierte Handlungsoberfläche, deren virtuelle Architektur sich durch den stetigen Fluss von Signalen permanent verändert. Die globale Etablierung einer solchen Formation aus wechselnden Strömen, Knoten und Bündelungen numerisch gefasster Informationseinheiten, die wechselweise als offenes Netz mit einer Vielzahl multipler Andockstellen (Internet) oder als kybernetischer Raum (Cyberspace) gedacht wird, bewirkte eine nachhaltige diskursive Verschiebung der Vorstellung von örtlichen Bezugssystemen. Diese wurden traditionellerweise auf Grundbegriffe der euklidischen Geometrie oder das Dispositiv der Zentralperspektive zurückgeführt, während über das Internet ein virtuelles System wechseln-der multilateral verschalteter Verdichtungen geschaffen wurde.

Im Zuge der Intensivierung der Mensch-Maschine-Beziehung durch die Integration immer neuer digitaler Informationstechnologien in den Alltag scheinen diese Umwälzungen der Wahrnehmung jedoch allmählich aus dem Blickfeld zu geraten. Während an den endogenen Zonen des Internets über Bildschirm und Lautsprecher unentwegt Nahverhältnisse mit Informationspaketen auf fernen Servern oder suggestive Beziehungen zu realen Orten und Personen irgendwo da draußen hergestellt werden, beginnt genau diese Perfektionierung digitaler Kommunikation über den radikalen Bruch mit herkömmlichen topografischen Auffassungen hinwegzutäuschen.

embedded image
© Ausstellungsansicht O.K spektral 2, O.K Centrum für Gegenwartskunst, Linz, 2003.
Foto: Otto Saxinger

Der Paradigmenwechsel setzte schon mit dem Anbruch der Moderne ein. Generell ist er geprägt durch Phänomene der Dislozierung. László Moholy-Nagy reflektierte dies 1922 in seinem Telefonbild EM 1, das als erstes Medienkunstwerk in Echtzeit gilt. Es entstand in telefonischer Kommunikation mit dem Abteilungsleiter einer Schilderfabrik, der Farbmuster exakt nach Anweisung auf Millimeterpapier auftrug. Damit war die Umsetzung eines künstlerischen Konzepts per Datenübermittlung auf technischem Weg zum Ausdruck gebracht. In ihrer Linearität aber blieb diese Form des Informationstransfers eine Episode. Im Zuge der Entwicklung über analoge Medien wie Telefon oder Radio hin zur globalen Implementierung des Internets erfolgte ein Szenenwechsel. Kommunikationsprozesse lassen sich nicht mehr als Ströme durch vorgezeichnete Kanäle beschreiben, sondern als fraktale Architekturen wechselnder Verschaltungen vorstellen, deren immanente Topologie in stetiger Veränderung begriffen und durch interne Andockmanöver und wechselnde Knotenpunkte gekennzeichnet ist.

Selbstverständlich manifestiert sich in diesem Umbruch eine Dynamik, in der verschiedene kulturelle, ökonomische und soziopolitische Fluchtlinien aufeinandertreffen, doch bewirkte die Verlagerung von Prozessen des Informationsaustauschs in die Kartografie des Internets eine neue räumliche Praxis. Während die Wegstrecken alphanumerisch codierter Datenpakete wechseln oder einander überlagern, entstehen temporäre Schnittlinien, Agglomerationen und Verdichtungen ohne fixierte Geometrie. Für dieses Phänomen einer realen (weil numerisch und technisch definierbaren) und zugleich virtuellen (weil zeitlich und räumlich nicht letztgültig fixierbaren) multidimensionalen Architektur entwickelte Annja Krautgasser mit der Installation IP-III ein variables Repräsentationsformat. Als Dispositiv des Cybermappings greift IP-III auch die in der Kybernetik und den Computerwissenschaften zentrale Fragestellung der Darstellung des Verhaltens von Datenmengen und der Beziehung algorithmischer Strukturen zueinander auf.
IP-III ist im Feld interaktiver Internetprojekte situiert und schließt sowohl an medienreflexive Diskurse der bildenden Kunst wie auch an visionäre Konzepte dekonstruktivistischer Architektur an, welche durch ihre Versuche zur Überwindung der seriellen Kubaturen der Moderne darauf abzielten, die eingetretene Instabilität der Grammatik räumlicher Strukturen sichtbar und ikonisch zu reflektieren. In Fortsetzung eines zunächst über Internet per Bildschirm zugänglichen Projekts reorganisierte und erweiterte Annja Krautgasser IP-III für unterschiedliche Ausstellungsdisplays in begehbare transmediale Installationen aus mehreren per Internet beeinflussten Projektionen verschaltet mit elektronischem Sound.

embedded image
© Ausstellungsansicht O.K spektral 2, O.K Centrum für Gegenwartskunst, Linz, 2003.
Foto: Otto Saxinger

Durch Verfahren grafischer Abstraktion verbunden mit der Option zur virtuellen Navigation durch die Installation per Trackball bildet IP-III im visuellen Zoom jene digital aufgezeichneten Spuren ab, die Internet-User im Zuge ihres Einloggens entweder auf der Homepage der jeweiligen Ausstellungsorte oder der IP-III-Homepage selbst in Form ihrer IP-Adressen hinterlassen. Diese digitalen Spuren werden gesammelt und in Echtzeit visuell und akustisch synchronisiert. Über das Internetprotokoll (IP), das aus einer 32-stelligen Binärzahl besteht, die vierstellig dargestellt wird, schreibt jeder Computer seine numerische Identität als Logfile in das Internet ein. IP-III verbildlicht dies in Form von „flags“ mit den entsprechenden IP-Adressen. Neben der zentralen Information, von welchem Ort aus die User über welchen Computer zugreifen, können Logfiles komplexes Datenmaterial akkumulieren, welches das individuelle Userverhalten automatisch dokumentiert.
Von kommerziellen Interessen geleitet, zeichnen High-Traffic-Sites
auf dieser Basis lokale Parameter der User auf, um soziografische Verhaltensdiagramme zu erstellen. Dazu setzt sich IP-III in Differenz und reflektiert stattdessen die multilateral aufgebaute Architektur des Internets selbst. Die mit Bewegungen im Internet korrespondierende Installation, die Annja Krautgasser in einer Kooperation mit Rainer Mandl, Josef Deinhofer und Michael Aschauer entwickelte und dann für die an das Feld neuer elektronischer Musik rückgebundene Reihe O.K spektral am O.K Centrum für Gegenwartskunst in Linz mit einem Soundkonzept von Dieter Kovacic aka Echelon verknüpfte, reflektiert den Schwenk der räumlichen Wahrnehmung in Richtung eines multiperspektivischen Hybrids, der sich über Cluster von Knoten und Schnittstellen definiert und von linearen Bindungen abrückt. Gilles Deleuze und Felix Guattari deuteten dies in Mille Plateaux als Verschneidung mäandernder segmentärer Systeme an, was in der Sphäre des Internets über binäre Verknüpfungen prozessualisiert wird. Dass die Installation IP-III als räumliche Visualisierung einer Architektur der Transgression entsprechend den auf Basis der digitalen Matrix sowohl lokal am Computer wie auch vernetzt per Internet generierten unterschiedlichen Produktionsformen mit einer dynamischen Struktur elektronischer Sounds verknüpft wurde, die ebenfalls mit der permanenten Veränderung der Zugriffsdaten per Internet korrelierte, verstärkte das utopische Moment einer allseitig offenen, dynamischen Formation. Vor dem Hintergrund der Befreiung der Klänge aus ihren traditionellen Systemen der Notation durch die Diskurse der Avantgarde im Kontext der elektronischen Musik modelliert IP-III durch die Einbeziehung des „acoustic space“ ein sinnlich wahrnehmbares Feld nicht wiederholbarer, zeichenhafter Kondensierungen auf unterschiedlichen Ebenen, die Marshall McLuhan Resonanzen nannte. In Resonanzverhältnissen korrespondieren verschiedene Pole miteinander nach Abläufen, die nicht immer prädisponierbar sind. Wie auch im Umgang mit dem Internet an dessen endogenen Zonen erfolgt die Wahrnehmung sowohl nach Prinzipien der Kausalität wie nach unvorhersehbaren sinnlichen Motiven.
(Roland Schöny)
DeutschEnglish
Ausstellungen: • The Chrono-Files, Lothringerhalle 13, München/Munich, D 2003 • O.K spektral 2, OK Centrum für Gegenwartskunst, Linz, A 2003 • coord(), Kunstverein Medienturm, Graz, A 2003 • Postmediale Kondition, Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum, Graz, A 2005 • Conditiòn Postmedia, MediLab Madrid/Arco, Centro Cultural Conde Duque, Madrid, E 2006 • The Postmedia Condition, ArtNetLab/12th international festival of computer art, Mesna Galeria, Ljubljana, SLO 2006

Festivals: • FCMM, Montral, CDN2002 • Transmediale 02, Berlin, D 2003 • Viper 03 – Internationales Medienkunstfestival, Basel, CH 2003

Unterstützt durch:
embedded image
embedded image
embedded image

Wvnr: 03-001